hgl_80

(…) dass ich mich für allzu vieles interessiere und nicht entschieden für eines

wenn irgendein mensch, so sollte ich ein tagebuch führen, um meinem gedächtnis ein wenig zu hilfe zu kommen. es passiert mir oft, dass ich völlig vergesse, aus welchem grunde ich dies oder das getan habe, und zwar nach kurzer zeit und nicht nur, wenn es sich um kleinigkeiten handelt, sondern bei den entscheidendsten schritten. fällt mir der grund doch noch ein, so ist er bisweilen so sonderbar, dass ich in ihm den grund nicht mehr erkennen kann. dieser zweifel würde wegfallen, wenn ich mich an etwas geschriebenes halten könnte. (…)

es ist kein sinn in meinem leben. wenn ich seine verschiedenen epochen betrachte, so geht es mir damit wie dem wort ‘schnur’ im lexikon, das zunächst eben ‘schnur’ bedeutet und dann ‘schwiegertochter’. es fehlte nur noch, dass die dritte bedeutung ‘kamel’ wäre und die vierte ‘besenstiel’.

wie ist die langeweile entsetzlich! / entsetzlich langweilig! ich weiss keinen stärkeren ausdruck, keinen der wahrer wäre; nur gleiches erkennt gleiches. in einem besseren, stärkeren ausdruck / wenn es einen gäbe / wäre doch noch bewegung! (…)^*^

ja, so mag das sein: zum beispiel wenn einem der geist überquillt während man vielleicht im café sitzt und arbeitet. wenn wie gesunde, fröhliche, wohlgeratene, muntere, gesegnete kinder, leicht zu welt gebracht, jedoch alle mit dem muttermal der persönlichkeit die ideen auf einen niederstürzen, zum beispiel. oder wenn man sich weigert, das leben mit allen seinen möglichen differenzen auf einen kleinsten gemeinsamen nenner herunterzufoltern: weil man den menschen als synthese von gegensätzen erfahren hat, eben kein entweder-oder sondern ein ja, auch - und noch viel mehr. unter den hellsichtigen gibt es welche, die sehen durch ferngläser. andere sehen durch lupen. und dann sind da schliesslich noch ein paar: die sehen durch kaleidoskope. die langweiler, das sind die anderen. (und die kommen 100 jahre später.)

vor 150 jahren und zwei tagen wurde es søren kierkegaard im staate dänemark gewissermassen todlangweilig.

^*^ søren kierkegaard, diapsalmata (in: entweder-oder, 1843)

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