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ökonom geboren am 24. februar 1929 in berlin gestorben am 23. april 2005 in luxemburg

als vierjähriger verliess er nazi-deutschland, kam erst in die schweiz, dann in die usa. der jugendliche fuhr zehntausende kilometer per anhalter, arbeitete als ladenschwengel, erntehelfer, putzmann, tellerwäscher und wurde meist wegen «insubordination» gefeuert. der begeisterte läufer studierte wirtschaftswissenschaften am swarthmore college in pennsylvania und erwärmte sich für die lehren von keynes.

für seinen doktor ging (…) ausgerechnet nach chicago zum monetaristen milton friedman, bestand die prüfungen, wurde aber brieflich als «unpassend» eingestuft. eine assistenzprofessur in michigan verliess er 1961 zugunsten von reisen durch afrika und lateinamerika und entwickelte eine radikale theorie der unterentwicklung. in chile traf er seine spätere frau marta fuentes.

(…) lehrte an der uni brasilia und in mexiko. die usa erklärten ihn ob seiner dependenztheorie für unerwünscht, kanada sah in ihm eine «bedrohung der nationalen sicherheit», bis er gastprofessor in montreal wurde. in kuba war der ökonom ebenfalls nicht willkommen, auch ost-berlin empfand ihn als «unpassend».

ab 1968 publizierte (…) in chile viel über die «entwicklung der unterentwicklung». beim pinochet-putsch floh er mit familie nach berlin, münchen und frankfurt. er forschte am max-planck-institut in starnberg, veröffentlichte zehn bücher und zahllose essays, fand aber keine feste stelle. «dieser (…) wird nie eine berufung bekommen», soll hessens kultusminister hans krollmann (spd) verkündet haben. 1978 ging (…) als professor ins englische norwich, 1981 nach amsterdam. nach dem tod seiner frau zog er nach toronto und heiratete eine jugendfreundin, die sich später von ihm trennte. er schrieb «re-orient» – eine wirtschaftsgeschichte mit schwerpunkt asien. 1999 verliebte sich (…), nun in miami, noch einmal. und reiste weiter durch die welt.

nachruf in der süddeutschen zeitung vom 14.-16.05.2005 von tim murphy

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