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Ein vernageltes Symptom so mancher Clubs aus Deutschland. Sportart: Prinzipien reiten. Musterbeispiel. Ein Dokument dazu. Irgendwie im Postausgang eingestaubt. Geschichte jetzt. Aus Prinzip notiert jetzt hier. Von uns. Andere Namen von der HGL::Redaktion mustermannisiert.

Berlin, 06.01.2006

Sehr geehrte Damen und Herren,

am Freitag, dem 30.12.2005, haben wir,

Sascha Brossmann, Husemannstr. 4, 10435 Berlin Thomas Goldstraß, Danziger Str. 46, 10435 Berlin

erfolglos versucht, bei der ADHS-Ambulanz der AAA, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Berlin, ein «Notrezept» für das uns nach gründlicher und kompetenter ADHS-Diagnose seitens des Facharztes für Psychiatrie Herrn Dr. BBB, Berlin, verschriebene Medikament Amphetamin zu erhalten.

Wir hatten es leider versäumt, uns über die Weihnachts- und Neujahrsöffnungszeiten der Praxis Dr. BBB zu informieren, versuchten, sie aufzusuchen, als sie geschlossen hatte, und standen deshalb bald, während der für Menschen mit ADHS ohnehin schwierig zu strukturierenden Feiertage, ohne Medikamente da.

Um zu verhindern, die Silvesterfeiertage für unsere Freunde und Familien durch allzu große Unruhe und allzu großen egozentrischen Überschwang zu einer nervenaufreibenden Veranstaltung werden zu lassen, beschlossen wir daraufhin also, bei der Berliner ADHS-Ambulanz, von deren Existenz wir erfahren hatten ohne bisher Bekanntschaft mit ihr gemacht zu haben, nachzufragen, ob man uns dort dabei helfen könne, unser mit allerlei gefährlichen gesellschaftlichen Widerhaken reichlich bestücktes Medikationsloch notbehelfsmäßig zu füllen.

Eigentlich hatten wir damit gerechnet, die Rezepte dort problemlos zu erhalten, denn schließlich, so dachten wir, sind wir erstens mit hinreichenden Nachweisen über unsere Diagnose und Therapie ausgestattet und ist zweitens die Ambulanz eines Krankenhauses im Allgemeinen für kurzfristige einmalige Hilfe bei Notfällen da und hat drittens die ADHS-Ambulanz der AAA im Besonderen die Hilfe bei Erwachsenen-ADHS ausdrücklich in die Beschreibung ihres Profils aufgenommen.

Daher ist es uns nach wie vor nicht verständlich, weshalb der behandelnde Arzt in der ADHS-Ambulanz, Herr Dr. CCC, es schlichtweg kategorisch ablehnte, uns ein Amphetamin- oder alternativ ein Ritalin-Rezept auszustellen – und sei es auch nur eins über eine Dosis für Tage. Es sei, erklärte uns Herr Dr. CCC, die Politik des Hauses AAA, keine BTM-Rezepte für Patienten auszustellen, die nicht im Hause AAA in Behandlung seien, d.h. deren Akte nicht im Hause AAA geführt würde.

Leider war es, nicht zuletzt aufgrund der unsymmetrischen Machtsituation, die während eines Gesprächs zwischen behandelndem Arzt und Patient besteht, unmöglich, eine nachvollziehbare Begründung für die Politik des Hauses AAA von Herrn Dr. CCC zu erhalten. Er nickte zwar verständnisvoll, während wir – jeder einzeln – unsere Situation schilderten, beteuerte nachher aber jedes Mal, es täte ihm Leid, er könne da gar nichts tun, es handele sich um eine so genannte Off-Label-Medikation, es bestünde auch Missbrauchgefahr, es sei die Politik des Hauses, BTM-Rezepte nur für Patienten des Hauses auszustellen.

Sachliche Nachfragen, wie z.B. warum er unsere Nachweise, dass wir ADHS haben, von Herrn Dr. BBB ordentlich diagnostiziert wurden, bei ihm in Behandlung sind und die regelmäßige, kontrollierte Einnahme von Amphetamin die angezeigte und verschriebene Therapie für uns ist, noch nicht einmal sehen wollte, beantwortete er nicht, betonend, dass er «solche Unterstellungen» im Raum stehen lassen wolle.

Diese Haltung des Herrn Dr. CCC empfanden wir beide gleichermaßen, unabhängig von einander, als eine zynische. Wir fühlten uns pauschal, ohne Ansehen der Person und Unterlagen, zu zwei potenziellen Speedjunkies qualifiziert, die womöglich deshalb zum Arzt rennen, weil ihr Dealer grad’ im Urlaub ist und die Entzugserscheinungen zwicken.

Uns ist bekannt, dass es sich bei der Verschreibung von Stimulanzien wie Methylphenidat oder Amphetamin zur Therapie von ADHS bei Erwachsenen in Deutschland um eine Off-Label-Medikation handelt. Sie ist deshalb off-label, weil es auf Grundlage der inzwischen laut Aussage der allermeisten Experten überholten Ansicht, dass ADHS mit dem 18. Lebensjahr einfach verschwinde, nicht von den deutschen Krankenkassen zugelassen wird. Weil nun die ADHS-Ambulanz der AAA die Behandlung von Erwachsenen-ADHS explizit in die Beschreibung ihres Profils aufgenommen hat, können wir nach wie vor nicht erkennen, was an unserer daraus gezogenen Schlussfolgerung, dass sie auch dazu bereit ist, die bei Erwachsenen-ADHS angezeigten Medikamente off-label zu verschreiben, falsch gewesen ist.

Die zusätzlichen Risiken, die ein Arzt bei der Verschreibung von Off-Label-Medikamenten, insbesondere von Off-Label-Medikamenten, die ein BTM-Rezept benötigen, zu tragen hat, sind uns ebenfalls bekannt, und wir sind unserem behandelnden Arzt Dr. BBB dankbar, dass er sie trägt. Wir hielten es nur eigentlich für kein Problem für Dr. CCC und die ADHS-Ambulanz, die notwendige und von uns in keiner Weise in Frage gestellte Kontrolle, die ein BTM-Rezept off-label verlangt, in unseren Fällen ohne größeren Aufwand zu gewährleisten. Ein Anruf, ein Brief oder eine E-Mail seitens Herrn Dr. CCC an Herrn Dr. BBB, dass er uns mit einem Rezept ausgeholfen hat, hätte dafür sorgen können, dass wir dieses Rezept nicht außerhalb der Kontrolle bekommen.

Hiermit möchten wir Sie in aller Höflichkeit darum bitten, die Politik Ihres Hauses unter Berücksichtigung unserer Situation und unseres Standpunktes zu überdenken.

Mit freundlichen Grüßen

Sascha Brossmann Thomas Goldstraß

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